Belastungsgerechte Gefügeausprägung
Eigenspannungen
Genauigkeit
Verrundungen und Oberflächenqualität
Funktionsintegration
Nutzen verschiedener positiver Eigenschaften
Das Gefüge richtet sich in Bauteilen, die durch Kaltmassivumformprozesse hergestellt wurden, entlang des Materialflusses aus. Die Körner werden in Richtung des Materialflusses stark gedehnt und quer dazu gestaucht. Abbildung 3 zeigt den Gefügeverlauf in einem umformtechnisch hergestellten Zahnrad. In dem Schliffbild sind die lang gezogenen Körner zu erkennen. Das Piktogramm verdeutlicht die zugrunde liegenden Fließlinien, an denen sich die Körner durch die Umformung orientieren.
Abbildung 3: Faserverläufe bei umgeformten Zahnrädern [Bar00]
Ungewollten Verformungen, insbesondere quer zu den lang gezogenen Körnern, wirken die hohe Korngrenzendichte sowie die starke Kaltverfestigung entgegen. Diese belastungsorientierte Gefügeausbildung kann durch spanende und urformende Verfahren nicht hergestellt werden. Spanende Fertigungsverfahren brechen die Korngrenzen auf. Während die Faserverläufe im umgeformten Zahn die Versetzungswanderung orthogonal zur Krafteinbringung durch feine Kornstrukturen behindern, ermöglichen die aufgerissenen Korngrenzen an der spanend bearbeiteten Oberfläche das Wandern von Versetzungen und somit die plastische Verformung des Zahnes. Abbildung 4 stellt vergleichend den Faserverlauf bei gestoßenen Zahnrädern dar. Es ist sind hierbei keine ausgeprägten Fließlinien zu erkennen.
Abbildung 4: Faserverläufe bei gestoßenen Zahnrädern [Bar00]
Eigenspannungen in Bauteilen können entscheidenden Einfluss auf die Bauteildauerfestigkeit haben. Während der Belastungsphase überlagern sich die Spannungen aus dem Belastungszustand mit den Eigenspannungen des Bauteils. Hierbei können eingebrachte Druckeigenspannungen an der Oberfläche kritische Zugspannungszustände bis zu einem gewissen Grad kompensieren und somit die Beanspruchbarkeit des Gesamtbauteils erhöhen. [Tek07]
Durch spezielle Planung der Umformschritte kann eine zielorientierte Einstellung von Eigenspannungszuständen an der Bauteiloberfläche durch den Umformprozess erfolgen, wodurch eine längere Haltbarkeit bei wechselnden Belastungen des Bauteils erreicht werden kann. Mit steigendem Umformgrad wurde in Vollvorwärtsfließpress-
experimenten eine Verringerung der oberflächennahen Zugeigenspannungen bis hin zu Druckeigenspannungen bei hohen Umformgraden nachgewiesen. Der oftmals notwendige Auswerfvorgang kann ebenfalls zur Einstellung von oberflächennahen Eigenspannungen genutzt werden [Zuc82] [Tek07].
Kaltmassiv umgeformte Bauteile können oftmals ohne weitere Nachbearbeitung verbaut werden. Durch Rechnerunterstützte Auslegung von Werkzeugen und Prozessen sowie präzise Maschinen steigt der Anteil der einbaufertigen Umformteile. Wo eine solche „net shape“ Umformung nicht möglich ist, ist zumindest immer eine „near net shape“ Umformung zu erreichen, bei der die spanende Nachbearbeitung auf wenige Flächen und an diesen auf geringe Volumina zu reduzieren ist.
Bezüglich der Maßgenauigkeit lässt sich demnach Kaltfließpressen zwischen dem Schmieden und Zerspanen anordnen. Tabelle 1 stellt die erreichbaren Toleranzen verschiedener Fertigungsprozesse qualitativ dar.
Die aus diesen Toleranzbereichen ableitbaren Abmaße sind von den Abmessungen der Formelemente und dem Gewicht der Teile abhängig. Richtwerte, die dies berücksichtigen, sind an einem exemplarischen Bauteil auszugsweise angegeben (vgl. Abbildung 5):
Gewichtsklassen | < 50 g | 50 - 500 g | > 500 g |
Nennmaß | Toleranzen (mm) | Toleranzen (mm) | Toleranzen (mm) |
Gesamtlänge lmax | 1 - 2 | 2 - 3 | 2 - 3 |
Absatzlängen l | 0,3 - 0,5 | 0,5 - 1 | 0,5 - 1,5 |
Flanschdurchmesser, Differenz dmax - dmin | 1 - 2 | 3 - 4 | 4 - 5 |
Durchmesser d1 IT ... | 0,05 - 0,2 | 0,1 - 0,3 | 0,3 - 0,5 |
Nachlauf (verfahrensbedingtes Obermaß) d2 bzw. d3 | 0,1 - 0,3 | 0,3 - 0,5 | 0,5 - 1 |
Flanschdicke s | 0,1 - 0,3 | 0,3 - 0,5 | 0,5 - 1 |
Rundlauf AB | < 0,2 | 0,3 | 0,3 - 0,5 |
Planlauf AB | < 0,2 | 0,3 | 0,3 - 0,5 |
Einzug oder Balligkeit (je nach Umformart und -grad) | 0,5 - 1 | 1 - 2 | 2 - 4 |
Abbildung 5: Exemplarische Angabe erreichbarer Genauigkeiten an einem Musterbauteil nach [Klo06]
Da das Material in der Kaltmassivumformung den Formen des Werkzeugs folgt, bilden sich neben den charakteristischen Gefügen oftmals günstige Geometrien aus. Insbesondere bei hoch belasteten Bauteilen wie Zahnrädern wirken verrundete Kanten aufgrund der geringeren Kerbwirkung festigkeitssteigernd. Abbildung 6 stellt die Geometrieeigenschaften von Zahnflanken, die umformtechnisch bzw. durch Stoßprozesse hergestellt wurden, vergleichsweise dar.
Abbildung 6: Gegenüberstellung gestoßener- und umformtechnisch hergestellter Zahngeometrien nach [Kaw07]
Neben den abgerundeten Flächenübergängen zeichnen sich umformtechnisch hergestellte Zahnräder aufgrund der Relativbewegungen zwischen Werkzeug und Werkstück unter hohen Kontaktnormalspannungen durch hervorragende Oberflächeneigenschaften auf den Laufflächen der Zahnflanken aus. Abbildung 7 stellt beispielhaft die Festigkeitsvorteile umformtechnisch hergestellter Innenverzahnungen bei hoher Lastwechselzahl dar. In der dargestellten Untersuchung wurden alle geprüften Zahnräder einer Wärmebehandlung unterzogen, um den Einfluss des verfestigten Gefüges auszuschließen.
Abbildung 7: Bauteillebensdauerkurven für gestoßen- und umformtechnisch hergestellte Zahnräder nach [Dah01]
Auf Grund des homogenisierten Gefügezustandes lässt sich die gesteigerte Festigkeit der drückgewalzten Innenverzahnungen gegenüber den gestoßenen auf zwei Effekte zurückführen:
1. Prozessbedingte Geometrieeinflüsse am Zahnfuß
2. Bessere Oberflächenqualität bei umgeformten Bauteilen
Abbildung 8 stellt am hier behandelten Beispiel von Innenverzahnungen den Anteil dieser beiden Effekte dar. Während die technologisch bedingte Ausbildung der Zahnfußgeometrie ca. 10% der Festigkeitssteigerung bewirkt, sind weitere 9% auf die bessere Oberflächengüte des umformtechnisch hergestellten Bauteils zurückzuführen. [Sta07]
Abbildung 8: Einfluss von Zahnfußrundung und Oberflächenrauheit auf die Wechselfestigkeit von Innenverzahnungen nach [Dah01]
Durch den Einsatz neuer Werkzeugwerkstoffe lassen sich Werkstückrauhigkeiten bis Ra = 0,16 erreichen. Hierbei können Toleranzbereiche von IT6 bis IT7 eingestellt werden [Arb07].
Es lassen sich zunehmend ganze Baugruppenfunktionen in ein einziges umgeformtes Teil integrieren. Dies wird am Beispiel der Getriebewelle (siehe Abbildung 8) dargestellt. Dabei werden die Zentrierbohrungen sowie die Lauf- und Keilverzahnung in einem Umformvorgang hergestellt. Damit steht das Umformen vielfach in Konkurrenz zu einer Fertigungsfolge und nicht mehr zu einem Einzelprozess.
spanend | umformend | |
Welle |
|
|
Verzahnung |
|
|
Abbildung 9: Beispiel für Funktionsintegrationen an einer Getriebewelle
Bei der Fertigung von z. B. Zündkerzenkörpern durch Fließpressen, kann eine deutliche Einsparung an Werkstückkosten erzielt werden. Nicht nur das zerspante Volumen ist geringer, es kann auch statt des kostenintensiven Sechskantausgangsmaterial kostengünstiges Rundmaterial verwendet werden. Zusätzlich tritt durch die Umformung eine Verfestigung des Werkstoffes auf, wodurch eine etwa 20 % höhere Torsionssteifigkeit erzielt werden kann. Werden die Prozesse der Kaltmassivumformung sinnvoll eingesetzt, bieten sie erhebliches Potential zur Umsetzung hocheffizienter Fertigungen.
[VDI 98] VDI 3138-1: Kaltmassivumformen von Stählen und NE-Metallen.
Verein Deutscher Ingenieure, März 1998
[Bar00] BARGEL, H.-J. et al.: Werkstoffkunde.
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in einem kombinierten Drückwalz-Verfahren – Abschlussbericht - “.
Abschlussbericht AViF Forschungsvorhaben Forschungsvorhaben Nr. 325/II
[Klo06] Klocke, F. ; König, W.: Fertigungsverfahren.
Berlin: 5., neu bearb. Aufl. Aufl. Springer, 2006.
[Tek07] Tekkaya, A.E.: „Eigenspannungen in kaltumgeformten Teilen“.
In ICFG workshop „Eigenschaften von kaltumgeformten Bauteilen“
22. Mai 2007 Universität Dortmund
[Sta07] Stahlmann, J. ; Türk : M., Groche, P.:
„Oberflächeneingenschaften von KMU-Bauteilen Nutzen und Herausforderungen“.
In ICFG workshop „Eigenschaften von kaltumgeformten Bauteilen“
22. Mai 2007 Universität Dortmund
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Verbesserung der Oberflächenqualität und Maßhalthaltigkeit.
In ICFG workshop „Eigenschaften von kaltumgeformten Bauteilen“
22. Mai 2007 Universität Dortmund
[Kaw07] Kawasaki, Y.: High Precision (DIN8 class) Forged Helical Gear
- Manual Transaxle for Passenger Car -. In ICFG workshop Quality and
Properties of Cold Forged Products and JSTP Forging Committee
1. Juni 2007 Nagoya University